Interview mit Absolventin Bettina Haidinger  |  ANDORF TECHNOLOGY SCHOOL - HTL Andorf Oberösterreich

Interview mit Absolventin Bettina Haidinger

Bettina Haidinger maturierte 2011 an der Andorf Technology School und spricht in einem Interview für die aktuelle Ausgabe unseres Jahresberichts über ihren beruflichen Werdegang. Das Interview wurde von Lisa Emminger, Julia Ockel und Barbara Weis (alle 2AH) geführt.

Bettina Haidinger, Produktmanagerin bei Hassia Shoe Group in Taufkirchen/Pram

Was produziert Ihre Firma?

Premium-Damenschuhe mit höchstem Komfort und ausgewählten Materialien, erhältlich in Mehrweiten und mit herausnehmbaren Einlagen.

Wie war der Berufseinstieg? Ist er Ihnen leicht gefallen durch die Ausbildung an der HTL?

Auf jeden Fall. Da ich in der technischen Entwicklung begonnen habe, war mein in der HTL erworbenes Wissen sehr von Vorteil.  Auch jetzt im Bereich Design fällt mir vieles leichter, da ich das technische Verständnis und Hintergrundwissen besitze, um produzierbare Schuhe zu entwickeln.

Was genau ist Ihr Tätigkeitsbereich?

Ich bin im Produktmanagement und Design der Marke Hassia tätig und bin für die Entwicklung und Ausarbeitung der Kollektionen mitverantwortlich. In einem kleinen Team werden hier die ersten Designs entwickelt und gezeichnet. Dies erfolgt entweder dreidimensional auf dem Leisten oder gleich 2D in der technischen Zeichnung. Die Schnitte werden von unserem technischen Modelleur ausgearbeitet und nachdem ich die Materialien definiert habe, laufen die Prototypen in unserem Werk in Taufkirchen.

Konstruktion DXF

Auch die Sohlen- bzw. Absatzentwicklung läuft ähnlich ab: Die erste Idee kommt von uns und wird in enger Zusammenarbeit mit unseren Lieferanten umgesetzt. Hier drucken wir die ersten Prototypen in unserem 3D Drucker in Taufkirchen. Nach der Probe am Schuh werden entweder Änderungen oder gleich ein Auftrag zum Formenbau weitergegeben.

Außerdem nehme ich Lieferantentermine im Haus und auch extern wahr. Auf Messebesuchen und Infotouren in Italien, Belgien, Deutschland und den Niederlanden werden die Grundlagen für die Kollektionsentwicklung gesammelt und dann im Headquarter in Taufkirchen umgesetzt.

Nennen Sie drei Punkte, von denen Sie denken, dass Sie in Ihrem Berufsleben am meisten durch die Ausbildung an der HTL profitieren?

  1. Technisches Verständnis (Konstruktion, Formenbau, Erstellen von techn. Zeichnungen, …)
  2. Grundwissen über Kunststoffeigenschaften (Materialien für Absätze und Sohlen)
  3. Interesse an Innovationen und Neuheiten

Besonders geholfen haben mir KOPE und technisches Zeichnen. Auch das Erlernen dessen, wie man eine technische Zeichnung richtig erstellt, hat mir jetzt im Nachhinein viel gebracht. Wenn ich etwas an unsere Lieferanten weitergebe, gilt der Grundsatz: Je genauer die technische Vorgabe von uns, desto einfacher die Entwicklung der Komponenten.

Wenn Sie die Zeit zurückdrehen könnten, hätten Sie irgendwas anders gemacht?

Ich hätte gleich den neuen Produktdesign-Zweig gewählt an der Andorf Technology School gewählt, wenn es diesen zu meiner Zeit bereits gegeben hätte, da dieser exakt meinen Interessen entspricht.

In Bezug auf die Arbeit würde ich auch im Nachhinein nichts ändern, weil jede Erfahrung wertvoll ist und einen auf zukünftige Probleme und unangenehme Situationen vorbereitet.

Wie hat sich Ihr Berufsalltag mit der Corona-Krise verändert?

Ich durfte das erste Mal Homeoffice-Erfahrung machen und musste feststellen, dass es der Kreativität sehr förderlich sein kann, von zu Hause aus zu arbeiten. Alle meine Designs, die in dieser Zeit entstanden sind, wurden in die aktuelle Kollektion mitaufgenommen!

Auch hat es die Hektik aus dem Alltag herausgenommen. Normalerweise läuft diese Zeit des Jahres sehr schnell ab, da sich Lieferantentermine und Meetings häufen und man viele Gespräche bezüglich der Neuentwicklungen führt. All dies war so natürlich nicht möglich und man war gezwungen, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren.

Messebesuch

Wie war Ihre Zeit im Ausland? Welche Erfahrungen haben Sie dort gesammelt?

Die Zeit in Mailand war sehr spannend für mich. Also, wenn ihr die Möglichkeit habt, irgendeine Art von Auslandssemester, Auslandsstudium oder Auslandspraktika zu machen, nutzt diese! Das war sehr lehrreich für mich, weil es ein internationaler Kurs war, was bedeutet, dass Leute aus der ganzen Welt teilgenommen haben. Dadurch erhält man Einblicke in andere Arbeitsweisen und Firmen und kann internationale Kontakte aufbauen.

Wie war die Zeit für Sie als Mädchen in der HTL?

Ich habe diese Zeit als sehr angenehm empfunden, es gab deutlich weniger Drama als in der Hauptschule. Ich habe mich immer gut aufgehoben und akzeptiert gefühlt, egal ob von Mitschülern oder Lehrern.

Welche Tipps haben Sie für Mädchen in einer HTL und alle Frauen, die in den technischen Bereich einsteigen wollen?

Ich glaube, man muss sich einfach bewusst sein, dass man sich als Frau im technischen Bereich immer mehr beweisen muss als ein Mann. Vielleicht trifft das nicht für alle Branchen und Firmen zu, aber ich habe den Eindruck, dass dies immer noch so ist, und ich bin überzeugt, dass wir deshalb viel mehr kämpfen müssen, für das was wir wollen. Beispielsweise geht ein Mann viel aggressiver und selbstbewusster in eine Gehaltsverhandlung hinein. Frauen tendieren eher dazu, sich mit dem zufrieden zu geben, was sie haben. Man sollte sich trotzdem damit beschäftigen, was vergleichbare Kollegen bekommen und immer wieder Teamgespräche mit dem Abteilungsleiter und den Kollegen führen

Stöbern im Lederlager

Was würden Sie einem Absolventen, bezüglich der Jobwahl empfehlen?

Bei der Auswahl zwischen verschiedenen Jobangeboten sollte die erste Frage, meiner Meinung nach, nicht die nach dem Gehalt sein, sondern nach der Übereinstimmung der eigenen Interessen und Überzeugungen mit dem Aufgabenprofil bzw. dem Unternehmen. Langfristig ist man nur in einer Anstellung glücklich, mit der man sich gut selbst identifizieren kann. Ich liebe die fordernden und abwechslungsreichen Aufgaben, welche ich im Produktmanagement und Design bei Hassia ausüben darf. Mir war von Anfang an klar, dass ich in einem reinen Konstruktionsjob nicht glücklich werde, auch wenn das vielleicht mit einem höheren Einstiegsgehalt verbunden gewesen wäre. Ich bin ein kreativer Mensch und möchte das auch an meiner Arbeitsstelle ausleben können.

Wir bedanken uns sehr herzlich für das Interview!